Am Mittwoch, den 7. Juni, hatten wir mit unserem GL-Lehrer Herrn Schunck eine eintägige Exkursion nach Freiburg im Breisgau. Unser Hauptziel war es, das Augustinermuseum in dieser Stadt zu besuchen. Nach unserem Museumsbesuch hatten wir aber auch die Gelegenheit, etwas Zeit dort zu verbringen und uns die Stadt anzusehen.
Wir haben uns entschieden, diese Exkursion zu machen, da unser aktuelles Thema in GL die Kolonialzeit Deutschlands ist, mit welcher wir uns kritisch auseinandersetzen.
Was dieses Thema auch heute noch relevant macht, ist die Tatsache, dass sich einige Stücke (etwa 1,5 Millionen) der Raubkunst noch immer in verschiedenen (ethnologischen) Museen in Deutschland befinden. Raubkunst, wie der Name offenbart, besteht aus Kunstwerken, die während der Kolonialzeit den afrikanischen Herstellern oder Familien gestohlen wurden. Leider spricht man erst seit ein paar Jahren ernsthaft über die Option einer Rückgabe. Deshalb werden wir auch von dem Wort “Provenienzforschung” öfter hören, weil die Provenienzforscher diejenigen sind, die die Herkunft von Objekten erforschen und somit herausfinden, woher die Kunstwerke gekommen sind und wohin sie zurückgeschickt werden sollen.
Das Augustinermuseum ist eines der Museen, in denen Raubkunst ausgestellt wird. Die Stadt Freiburg setzt sich aktuell mit der besuchten Ausstellung kritisch mit ihrer eigenen Geschichte ( Kolonialismus) auseinander.
Frau Dietrich, die unseren Workshop im Museum durchgeführt hat, hat uns zuerst in einen Sitzkreis eingeladen und uns zufällige Waren aus einer Einkaufstüte ziehen lassen, die sie in der Hand hielt. Es waren alles normale Dinge, die Menschen in ihrem Alltag kaufen und benutzen: Kakao, Kaffee, Radiergummi, Tabak, getrocknete Bananenchips usw. All dies waren Dinge, die man normalerweise in Europa nicht finden kann -es sind also alles Produkte aus ehemaligen Kolonien. Frau Dietrich wollte uns damit daran erinnern, dass der Kolonialismus, auch wenn er nun vorbei ist, heute immer noch Auswirkungen auf unser Leben und auf das Leben der Menschen vor Ort hat. Auswirkungen, die uns zum Teil gar nicht bewusst sind. Sie hat uns zum Beispiel etwas Interessantes über den Namen des Supermarkts EDEKA verraten, was möglicherweise die Einkaufsgewohnheiten einiger von uns verändern kann…
Als Nächstes haben wir uns ein paar alte Weltkarten angeschaut, über die Frau Dietrich froh war, dass sie heute nicht mehr in Schulen aufgehängt werden. Auf einer dieser Karten verwendete man beispielsweise das Verb “entdecken” im Kontext auf Amerika. Auf einer anderen Weltkarte hat man gesehen, wie die afrikanischen Länder damals mit den Namen der Produkte und Waren, die in diesen Ländern zu finden waren, beschriftet wurden, von denen die Kolonialisten profitierten. Als wäre Europa “das Haus” und Afrika “der Garten”. So haben wir über die drei Phasen der Kolonialzeit gesprochen.
Nach diesem Workshop (“Kolonialismus/Was hat das mit mir zu tun?”) begannen wir damit, die Ausstellung im Museum anzusehen. Wir haben uns Masken und einige andere Gegenstände angeschaut, die der Raubkunst angehören. Frau Dietrich erzählte uns, dass es fast keine Informationen darüber gibt, woher diese stammen, von wem sie hergestellt wurden und wie sie ins Museum gelangten usw., und dass nun in Freiburg deshalb Provenienzforschung betrieben wird.
Anschließend zeigte sie uns einige alte Bücher, die rassistische Theorien/Ideologien enthalten und unterstützen, und einige Teile der Rassenforschung, die einfach falsch und diskriminierend sind -wie zum Beispiel die Kategorisierung von Menschen nach Haar-, Haut- oder Augenfarbe.
Am Ende der Ausstellung nahmen wir vor einem Gemälde Platz, das durch eine Wand vom Rest des Museums getrennt war. Der Grund, warum dieses Gemälde einen eigenen, versteckten Raum hatte, liegt darin, dass es eine der hässlichen Wahrheiten hinter den schönen Kunstwerken darstellt, die den Besuchern in den meisten Museen niemals gezeigt werden: Es zeigte im Großformat die Omaheke-Wüste samt Wartberg und somit den Ort des ersten Genozides des 20. Jahrhunderts, den der deutschen Kolonialherren an den Herero und Nama. Ca. 80% der Bevölkerungsgruppen wurden im oder in der Folge dieser Schlacht getötet. Offiziell anerkannt wurde der Völkermord im heutigen Namibia seitens der deutschen Bundesregierung erst im Jahre 2021. Leider gibt es zudem bis dato noch keine offizielle Gedenkstätte in Deutschland.
Damit endete unser kleiner Rundgang durch das Museum und wir hatten noch etwas Zeit, uns die Kunstwerke nochmal anzusehen, bevor wir gingen.
Wir fanden es wertvoll, dass es überhaupt ein Museum gibt, in dem einige Leute über so ernste und wichtige Themen wie Raubkunst, Provenienzforschung und Restitution sprechen.
Außerhalb des Museums war die Stimmung und die Atmosphäre natürlich völlig anders. Als wir nach draußen traten, hörten wir zuerst einige Geräusche von Blasinstrumenten. Ich denke, dieser unerwartete Straßenauftritt hat uns allen besonders gut getan, nachdem wir über so schwere Themen gesprochen haben.
Wir haben gewartet, bis die Musiker mit ihrem Stück fertig waren und dann hat Herr Schunck uns erlaubt, in kleinen Gruppen die Stadt zu ‘entdecken’.
Einige aßen Eis, einige tranken Kaffee, einige aßen Döner und einige gingen durch die Straßen und unterhielten sich mit den Freiburgern.
Freiburg gefiel uns allen (“Freiburg ist jetzt meine Lieblingsstadt in Deutschland, die Menschen sind so nett und freundlich. Ich glaube, ich werde in der Zukunft dorthin ziehen”, “Ist auf jeden Fall besser als Wiesbaden”).
Es war also ein lehrreichender, aber auch ziemlich lustiger Tag und ich denke, wir haben alle einige Erinnerungen gesammelt. Deshalb vielen Dank an unsere Lehrer, die diesen Ausflug organisiert und unterstützt haben. Ich hoffe wirklich, dass solche Teile der Geschichte, in naher Zukunft, auch in anderen Schulen, häufiger thematisiert werden. Denn dies war eines der wenigen Geschichtsthemen, die unglaublich viel, nicht nur mit der Vergangenheit, sondern auch mit der Gegenwart zu tun haben. (Handan Yavuz, Klasse 09aG)